Fragen nach Christchurch

Nach dem Attentat in Christchurch, Neuseeland, gilt unser Mitgefühl den Opfern des Anschlags. Aber Politiker dürfen sich nicht auf Beileidsbekundungen beschränken, denn dafür wurden sie nicht gewählt, sondern müssen die richtigen Fragen stellen, passende Antworten geben und Taten folgen lassen.

[ Ein Gastbeitrag von Rocco Burggraf. ]

  1. Warum fehlt jetzt nach den Taten von Christchurch erstmalig die bisher bei jeder muslimischen Gewalttat mit stoischer Regelmäßigkeit ausgesprochene Warnung vor einer Instrumentalisierung?
  2. In wie vielen Fällen von Mord und Vergewaltigung lasen wir von den, inzwischen schon sprichwörtlich gewordenen Einzelfällen? Den psychisch verwirrten Einzeltätern? Warum wird nun ausgerechnet der Anschlag in Neuseeland als das Ergebnis weltumspannender rechtsextremer Netzwerke dargestellt, obwohl alle bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es sich hier tatsächlich um einen Einzeltäter ohne erkennbare Aktivitäten in politischen Organisationen oder Netzwerken handelt?
  3. Warum ist von den aktuellen Anschlägen auf Christen in Nigeria, auf Hindus in Bangladesh kaum etwas zu lesen und warum spielt das zeitgleiche Auffinden von fünfzig abgetrennten Köpfen jesidischer Sexsklavinnen in Syrien kaum eine Rolle?
  4. Die zahllosen Terrorattacken des IS in Europa wurden im Netz sowohl verurteilt als auch massiv gefeiert. Was sagt uns eigentlich die Tatsache, dass jetzt nirgends auch nur von die leiseste Andeutung von Genugtuung zu finden ist? Müssten die vielen rechten Netzwerke nicht ebenso weltweit jubeln wie die Islamisten nach Bataclan, Barcelona, Brüssel …?

Nein, es geht nicht um das Aufrechnen von Opfern. Die Zahlen wären in einem solchen Versuch so eindeutig, dass bisher außerhalb digitaler Netzwerke noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine derartige Statistik aufzustellen und unter seinem Namen zu veröffentlichen. Es geht nach wie vor um die verlorene Rolle der „Vierten Gewalt“ in der Gegenwart. Um die Erneuerung von Journalismus zugunsten einer entideologisierten, ausgewogenen Berichterstattung.

Die Meinungsmacher können nicht aus ihrer Haut.

Trotz dramatischen Vertrauensverlusts, trotz sinkender Auflagezahlen, trotz der nun schon über Jahre andauernden Debatten über das Berufsethos im schreibenden und sendenden Gewerbe muss man konstatieren : Die Meinungsmacher können nicht aus ihrer Haut. Sie können ihre pawlowschen Haltungsreflexe nicht aus den Knochen schütteln. Sie bleiben auch jetzt noch ein politischer, von unbeweglichen Betonköpfen geführter Flügel mit Angst vor Wahrheit und einer gefährlichen Affinität zu postkommunistischen linken Utopien.

Das Verharren bis zuletzt hat in Deutschland leider Tradition.

Sie glauben offenbar, ihr Dasein hinge daran, die rechte Gefahr als die Gegenwart verdunkelndes Damoklesschwert omnipräsent zu halten. Mit dieser Überzeugung haben sie – je nach Perspektive – recht und unrecht zugleich. Als Teil des Apparates müssen sie spekulieren, wie lange dieser noch überlebt. Als freier Mensch mit einem ethischen Wertegerüst müssten sie das sinkende Schiff längst verlassen haben und ans rettende Ufer schwimmen. Dies geschieht aber nicht. Das Verharren bis zuletzt hat in Deutschland leider Tradition.

Es gibt keinen Kampf zwischen Links und Rechts.

Die Spaltung zwischen den Gewinnern und den Verlierern des bedingungslosen Multikulturalismus vertieft sich so mit jedem Tag. Und mit jedem Tag steigt auch die Gefahr, dass der, fälschlicherweise als Kampf zwischen Rechts und Links beschworene Bürgerkrieg, über kurz oder lang zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Wenn es denn noch genügend Bürger gibt, die es als lohnenswert ansehen, sich um die Gestaltung ihres Daseins in Europa zu streiten.