Über die Konditionierung deutscher Medienkonsumenten

[Gastbeitrag] In letzter Zeit wird in den sozialen Medien wieder vermehrt die fast verzweifelte Frage gestellt, wie es möglich sei, dass angesichts der fast schon grotesk einseitigen, vollkommen verzerrten Darstellung der Vorgänge rund um die US-Präsidentschaftswahl nicht endlich mehr Menschen „aufwachen“ und das eigentlich doch so Offensichtliche begreifen, nämlich dass die Mainstream-Medien tendenziös bis manipulativ berichten und als seriöse Informationsquelle im Grunde vollständig ausscheiden.

Dabei ist die Antwort auf diese Frage denkbar einfach und sie gilt nicht nur im Hinblick auf die US-Wahl, sondern auch für die meisten anderen soziopolitischen Themen, die in den letzten Jahren die Schlagzeilen dominiert haben. Sie lautet: confirmation bias (dt.: Bestätigungsfehler, Bestätigungstendenz oder Bestätigungsverzerrung). Ziehen wir an dieser Stelle eine Standarddefinition heran, wie man sie in der englischsprachigen Wikipedia findet:

„Confirmation bias is the tendency to search for, interpret, favor, and recall information in a way that confirms or supports one’s prior beliefs or values.“

Weiter heißt es dort:

„People tend to unconsciously select information that supports their views, but ignoring non-supportive information. People also tend to interpret ambiguous evidence as supporting their existing position. The effect is strongest for desired outcomes, for emotionally charged issues, and for deeply entrenched beliefs.“

Wenden wir nun die Definition auf die treuen Konsumenten der Mainstream-Medien an und denken uns, soweit uns das möglich ist, in diese hinein, dann sollte uns eigentlich nicht wundern, warum sie die Berichterstattung ihrer favorisierten medialen Informationsquellen selten bis niemals ernsthaft hinterfragen.

Der bundesdeutsche Medienkonsument ist von klein auf darauf konditioniert – sei es durch das Elternhaus, die Schule oder das soziale Umfeld –, den herkömmlichen, bis heute weithin im Rufe höchster Seriosität stehenden Leitmedien zu vertrauen: Tages- oder Wochenzeitung, Tagesschau/Tagesthemen und Heute-Journal, Nachrichtensendungen der dritten Programme sowie diverser populärer Radiosender.

Wenn nun alle diese Informationsquellen seit vielen Jahren mehr oder weniger in dasselbe Horn stoßen, den Nachrichten denselben „Spin“ verpassen und somit ein geschlossenes, in sich konsistentes Weltbild vermitteln, das nicht nennenswert zu hinterfragen man perfekt konditioniert wurde, dann wird der treue Konsument allen alternativen Nachrichtenquellen bzw. Interpretationen von Nachrichten, die von der aus seiner Sicht grundsätzlich nicht zu hinterfragenden Norm abweichen, mit grundsätzlichem Misstrauen gegenübertreten und, mehr noch, dabei ein profundes Gefühl des Unbehagens und der Ablehnung verspüren.

Folglich wird er entweder gar nichts von diesen alternativen Interpretationen und Quellen wissen wollen oder er wird sich berufen fühlen, diese als unseriös, unglaubwürdig und als gefährliche Verbreiter von Fehlinformationen einzuordnen, deren Konsumenten es zu missionieren oder gar zu bekämpfen gelte; das wären dann jene ganz besonders eifrigen Freunde und Fürsprecher der Mainstream-Medien, denen wir tagtäglich in den sozialen Medien begegnen.

Die Mainstream-Medien wiederum wissen natürlich genau um diese Bestätigungstendenz, machen sie sich geschickt zunutze und verstärken sie durch entsprechendes Framing. Am Beispiel der US-Präsidentschaftswahl wäre das z. B. der gezielte Appell an in der Bevölkerung seit jeher vorhandene antiamerikanische Klischees und Tendenzen, indem etwa Donald Trump als Musterbeispiel für das „andere“, das „falsche“ Amerika der vermeintlich hemdsärmeligen, hinterwäldlerischen, unzivilisierten, cholerischen, gewaltaffinen, mit Bibel und Schusswaffe unter dem Kopfkissen schlafenden Cowboy-Nachfahren dargestellt wird. Die Methode ist gleichermaßen perfide wie effektiv und sie rennt bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung gleichsam offene Türen ein.

Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn wir mit unseren durch zahllose Belege untermauerten Hinweisen darauf, wie die klassischen Leitmedien ihren Informationsauftrag vernachlässigen, ihre Reichweite und ihren Einfluss missbrauchen und überwiegend zu reinen Volkserziehungsanstalten mutiert sind, bei deren treuen Konsumenten auf taube Ohren bis hin zu feindseliger Ablehnung stoßen. Diese Leute fühlen sich ausgesprochen wohl mit ihrem vertrauten Weltbild und sie hassen jene, die disruptiv in dieses Weltbild einzudringen und es nachhaltig zu stören drohen. In der TV-Serie „The X-Files“ (dt.: Akte X) sieht man den FBI-Agenten Fox Mulder des Öfteren in seinem engen, düsteren Büro sitzen, dessen eine Wand von einem Poster geziert wird, das ein UFO zeigt sowie den Satz „I want to believe“. So verhält es sich, gleichwohl in einem ganz anderen Kontext, mit den Konsumenten der Mainstream-Medien: Sie wollen glauben, und sie hassen jene, die sie davon abbringen möchten.

Solange die zweifellos stattfindende Bedeutungsverschiebung weg von den klassischen Leitmedien und hin zu den internetbasierten neuen Medien andauert und solange die Diskrepanz zwischen dem Weltbild, das Erstere zeichnen und transportieren, und der im Alltag ihrer Konsumenten spürbaren Realität noch nicht ausreichend groß ist, werden die Gläubigen weiterhin stur an ihren Dogmen festhalten und sie angesichts langsam keimender Zweifel nur umso entschlossener gegen ungläubige Störenfriede verteidigen.

Bis ihr auf Wunschdenken und Projektion basierendes Weltbild irgendwann doch an der Realität zerbricht.